Am 28. Juli 2022 wurden erstmalig im polnischen Oppeln tote Fische in der Oder gefunden. Es passierte daraufhin zunächst einmal gar nichts, ausser dass sich das Fischsterben ausweitete. Auf deutscher Seite wurden am 10.08. grosse Mengen von verendetem Fisch gefunden. Angler hatten sie bemerkt und alarmierten Polizei und Behörden. Die Landrätin des Kreises Uckermark erklärte am 12.08. gegenüber dem Tagesspiegel, dass sie erst wenige Tage zuvor über „inoffizielle Kanäle“ von der sich anbahnenden Katastrophe erfahren habe. Es ist also festzuhalten: Es gibt kein Überwachungssystem, welches das Auftreten giftiger Substanzen in der Oder registrieren würde – tonnenweise toter Fisch sind hier der erste Anzeiger. Eine suffiziente Kontrolle von Betrieben, die ihre Abwässer in die Oder einleiten, ein Monitoring etwa der Gesamtheit von Schadstoffen im Ökosystem Fluss, findet nicht statt. Tritt eine solche Katastrophe auf, werden flussabwärts gelegene Regionen nicht davon in Kenntnis gesetzt. 

Jetzt, Ende August 2022, gibt es erste Hypothesen zu den Ursachen des massenhaften Sterbens von Fischen und anderen Lebewesen in der Oder. Das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei IGB in Berlin geht davon aus, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Die Oder leidet in diesem Sommer, der die geringsten Niederschläge innerhalb der vergangenen 500 Jahre gebracht hat, unter extremem Niedrigwasser. Zu den fehlenden Niederschlägen kommen die erhöhten Temperaturen, die mehr Wasser verdunsten lassen. Unter erhöhten Temperaturen steigt die Stoffwechselrate der Fische, so dass sie anfälliger für äussere Stressoren werden. Daneben wurden stark erhöhte Quecksilberwerte im Oderwasser gemessen, welche pathogen für jedes Lebewesen sind. Eine grosse Rolle soll spielen, dass die Oder auf polnischer Seite ausgebaggert wird, um die Fahrrinne zu vertiefen und den Fluss so beschiffbar zu halten. Im Sediment haben sich Schadstoffe abgelagert, die aufgewirbelt werden und sich erneut im Wasser lösen. Und schliesslich wurden stark erhöhte Salzfrachten im Oderwasser bestimmt, die durch Bergwerke eingeleitet wurden. Der erhöhte Salzgehalt schliesslich hat zu einem übermässigen Wachstum einer Algenart geführt, welche wiederum für Lebewesen toxische Stoffe produziert.

Während sich ein Ursachenkomplex somit bereits abzeichnet, passiert von Seiten der Politik bisher wenig. Naturschützer und Anwohner auf beiden Seiten der Oder warnen: Ein Fluss, der ausschliesslich als Abwasserkanal und als Schnellstrasse für den Schiffsverkehr betrachtet wird, kann darin lebenden Organismen keine gesunde Perspektive bieten. Sie fordern die polnischen und deutschen Politiker auf, schnell und nachhaltig Massnahmen zu ergreifen, die die Oder in ein lebendiges Ökosystem zurück verwandeln. Während einer ersten gemeinsamen Veranstaltung tauchten sie die Oder in blutrotes Licht, um zu zeigen, wie verletzt der Fluss ist. 

Zur Verfolgung der aktuellen Entwicklungen empfiehlt sich ein Besuch der Webseite der BI SAVE.ODER.DIE .

Pressemitteilung BI Grünheide/VNLB (Download)