Welche Problematiken ergeben sich bei den Ausgleichs-/Ersatzpflanzungen für den vor Ort gerodeten Wald?


Problematik Ausgleichs-/Ersatzpflanzungen

Ausgleichs- und Ersatzpflanzungen sind sicherlich besser als gar nichts bei einem Eingriff in die Natur, jedoch ersetzen sie das beeinträchtigte oder zerstörte Biotop nur scheinbar oder unzureichend. Ein natürlich gewachsenes Biotop mit all seiner Eigenart lässt sich nicht 1:1 ausgleichen/ersetzen. Somit haben wir es ständig mit Scheinlösungen bzw. Lösungen mit „negativem Budget“ zu tun, was sich in Anbetracht seiner exorbitanten Anwendung in der Praxis in Summe erschreckend ist. Beispiel: Ein gerodeter Vegetationsbestand an einem bestimmten Ort lässt sich nicht an einem anderen Ort mit sofort einsetzender gleicher ökosystemaren Leistung ersetzen bzw. ausgleichen. Hier ist die Zeitlücke ein gravierender Missstand – der Zeitraum, bis die Pflanzen (oft langsamer wachsende) Gehölze die ökosystemare Leistung erbringen wie der gerodete Bestand. Zusätzlich muss betrachtet werden, was dafür eventuell zusätzlich am vorgesehen Standort verloren geht. So kann es sei, dass am Ausgleichsstandort bereits ein Vegetationsbestand existiert, der für die Ausgleichsmaßnahme erst gerodet werden muss oder wenn vor Ort landwirtschaftliche Flächen verloren geht (Konkurrenz zu anderen Flächennutzungen). Weitere Faktoren kommen hinzu, weshalb Ausgleichsmaßnahmen auch als kosten- und ressourcenintensiv gelten müssen: Zertifizierung, Ernte und Aufbereitung des Saatguts, aufwändige Anzucht der Jungpflanzen, Vorbereitung der Ausgleichsflächen (u. U. erst Rodung oder Tiefenbearbeitung des Bodens, Rekultivierung und Zwischensaaten), Ausbringen/Pflanzung der Jungbäume, Kulturpflege und ggf. Bewässerung, Monitoring der Flächen etc.

Zudem ist der Anwuchserfolg nicht immer gegeben aufgrund zu großer Trockenheit (vorallem im Zuge der allgegenwärtigen Klimakrise), zu starke Sonneneinstrahlung auf exponierten Flächen, zu karge Böden, stark verdichtete Ober-/Unterböden mit schlechter Krume aufgrund voriger intensiver landwirtschaftlicher Nutzung, wenig Bodenleben für Umsetzungsprozesse, Humusmangel, Mangel an wichtigen Nährstoffen, nicht standortgerechte Baumartenwahl, Wildverbiss oder Mäusefraß etc.

Oft sind die Flächen der Ausgleichsmaßnahmen auch überhaupt nicht mehr in der Nähe des Eingriffsortes, weshalb die regionale Natur nur wenig von diesen Maßnahmen hat. Bei Betrachtung der Ausgleichsmaßnahmen bei Tesla sind die Ausgleichsflächen weit vom Eingriffsstandort entfernt und zerstreut, vereinzelt angelegt, was die Frage des ökologischen Nutzens in ganzheitlicher Betrachtung aufwirft (Biotopverbünde, Korridore, Trittsteinbiotopkulissen etc.). In manchem Fall würde ein Waldumbau mehr bringen als eine komplette Neuanlage eines „Ausgleichswaldes“.

Bei den Ersatzpflanzungen werden zudem oft nur die Bäume berücksichtigt, nicht aber die zahlreich vorhandenen Sträucher, Farne etc., dass es nicht nur eine Rodung ist, sondern die Zerstörung eines intakten Lebensraumes, welchen man mit keiner Neuanpflanzung wiederherstellen kann. Hierzu zählt u.a. die Zerstörung von Lebensraum für verschiedene, auch geschützte, Tierarten (Zauneidechse, Schlingnatter), Zerstörung des vor Ort gewachsenen Bodens, Eingriff in den sensiblen Wasserhaushalt vor Ort, Beitrag zur Versteppung des kulturhistorisch betrachtet schon immer waldbedeckten Gebietes, Zerschneidung in vielgestaltiger Form (u. a. Wanderungskorridore von Wildtierarten, Lebensraum bzw. auch potentieller Lebensraum – Stichwort: Wolf -). Aufgrund dieser zahlreichen Problematiken ist bereits von einer weiteren Rodung, vorallem des vorgesehenen Waldstücks, abzusehen.

 

B. Sc. Norman Heß
(B. Sc. Landschaftsnutzung und Naturschutz – HNE Eberswalde)

Experte für ganzheitliche Ökologie, im Speziellen Waldökologie